Autoreninfo | Sylvia Koppermann | |
aktualisiert: 24.01.2011 | Mehrfache Mutter u. Autorin | |
Medizin, Gesundheit und Erziehung |
Die ersten schriftlichen Belege des Karnevals in Venedig verdanken wir dem Dogen Vitale Faliero, der im Jahr 1094 über die Karnevalsfestlichkeiten schrieb. Durch ihn und spätere Aufzeichnungen anderer Autoren ist bekannt, dass die eigentliche Karnevalszeit bereits im Oktober begann. Da aber die Advents-, Weihnachts- und Fastenzeit zwischen Beginn und Ende des Karnevals lagen, beschränkte man die Hauptfeierlichkeiten auf die zehn Tage vor Aschermittwoch, dem letzten Tag vor Beginn der Fastenzeit. Zur Zeit Falieros wird es die berühmten venezianischen Masken noch nicht gegeben haben, denn diese werden erstmals im Jahr 1286 in einem Erlass erwähnt, der es Maskenträgern verbietet, Passanten mit Eiern zu bewerfen.
So wie bei den hierzulande gefeierten Narrentagen sind auch die Grundzüge des venezianischen Karnevals eng mit den römischen Festlichkeiten der Saturnalien verknüpft. Das lässt sich aus der Tatsache schließen, dass in den Tagen beider Feste gesellschaftliche Klassenunterschiede aufgehoben waren. Als Zentrum des Seehandels im Mittelmeerraum war Venedig nicht nur mit den Vorzügen gesegnet, internationale Bedeutung zu haben. Durch die regen Handelsbeziehungen und den damit verbundenem Wohlstand kam es auch immer wieder zu Kriegen um die Herrschaft der Stadt. Der enge Kontakt zu anderen Ländern und Kontinenten brachte aber häufig auch Krankheiten und Seuchen in die Lagune.
Nach 1162 bekam der Karneval immer tiefere Symbolkraft. So wurde zu Ehren des Dogen Vitale Michiel I, der Ulrich II von Treven besiegte, kriegerische Szenen und Ereignisse nachgespielt. Die vom Besiegten von Treven zu erbringende Tiere (1 Stier und 12 Schweine) wurden in einem Schlachtfest zerlegt und Akrobaten führten in riesigen, menschlichen Pyramiden einzelne Kampfszenen auf. In den folgenden Jahren wurden gerade diese menschlichen Pyramiden zu einem festen Bestandteil des Karnevals. Einmal stellten sie Wesen aus der Mythologie dar, dann wieder Szenen besonderer Ereignisse, wie zum Beispiel den Engelsflug aus der Turmstube des Glockenturms von Sankt Markus.
Ab etwa dem 15./16. Jahrhundert wurden die Masken wichtiger Bestandteil des venezianischen Karnevals. In den Jahren 1348 bis 1575 litt die Stadt unter mehr als 20 großen Pestepidemien mit etlichen tausend Todesopfern. Die Überlebenden feierten den Karneval nun nicht mehr nur mit Nachstellungen großer Schlachten, sondern zunehmend mit Tragödien und Wundern, die sich zur Zeit der Pest ereignet hatten. Viele der noch heute bekannten Masken haben daher eine feste Bedeutung. So stellt die Figur des schwarz gekleideten Mannes mit dem breitkrempigen Hut und einer Maske, die an einen langschnabligen Vogel erinnert, symbolisch einen Pestarzt dar.
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Nach einer dieser Pestepidemien im 16. Jahrhundert ist auch der erste Maskenball des venezianischen Adels erwähnt. Allerdings nutzte gerade die gesellschaftliche Oberschicht die Maskerade nicht nur zu Ehren überstandener Ereignisse. Unter der Anonymität einer Maske fühlte man sich nur zum Teil verantwortlich für moralische Verfehlungen und frönte häufig Frivolitäten. Dies führte zeitweise zum Verbot der Masken. Durchsetzen konnte sich dieses Verbot zunächst jedoch nicht. Selbst dann nicht, wenn als Begründung angegeben wurde, dass die Maskeraden zu sündigem Treiben verführten und auch Dieben und anderen Verbrechern ihre Arbeit erleichtern würden.
Im Jahre 1797 kam es dann zum endgültigen Verbot des Karnevals in Venedig, ausgesprochen durch Kaiser Napoleon. In der ersten Zeit feierten Adel und gehobene Bürgerhäuser noch heimlich ihre Maskenbälle. Jedoch wurden diese Festlichkeiten immer seltener, bis sie schließlich ganz in Vergessenheit gerieten. Man erinnerte sich in den folgenden fast zwei Jahrhunderten zwar an die Tradition des Karnevals, beging sie allerdings nicht mehr in größerem Rahmen.
Erst 1979 wurde der Karneval als Ehrung der Jahrhunderte alten Tradition in Venedig wieder erweckt. Aufzeichnungen aus der Blütezeit der Masken- und Kostümherstellung halfen, authentische Nachbildungen zu schaffen. Im Bestreben, die alten Figuren möglichst originalgetreu nachzustellen, wurde dieser erste, nach einer langen Pause gefeierte Karneval in Venedig zu einer Art Auferstehung.
[SyKo]
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