⎯ Wir lieben Familie ⎯

Ein Vater erlebt die Geburt

geburt
Melissa Schalke / Fotolia.com
Du bist also mein Papa!
Bild: Melissa Schalke / Fotolia.com

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AutoreninfoMag. Reka Schausberger
aktualisiert: 10.11.2021Mehrfache Mutter
Erziehung, Familie, Psychologie
Für jeden Mann, der zum ersten Mal eine Geburt erlebt, ist es ein unvergessliches Erlebnis, das große Eindrücke hinterlässt.

Sicher etwas anders als das, was die Frau erlebt, aber dennoch tief und prägend. Da ich eher schreibfaul bin, habe ich meine Frau gebeten meine Geschichte aufzuschreiben und ich hoffe damit jemandem Mut machen zu können: den werdenden Vätern, die ängstlich dem "Abenteuer Geburt" entgegen sehen.

"Das wird schon noch klappen!"

Wir wollten ein gemeinsames Kind, das war uns klar und wir "übten" fleißig, um dann Monat für Monat enttäuscht zu werden, dass wieder kein Baby unterwegs ist. Eigentlich glaubten wir kaum noch daran, dass es eines Tages funktionieren würde und es war schon fast Routine, die uns sagen ließ "Das wird schon noch klappen!".

Es war Anfang Januar als meine Frau mit sehr ernstem Gesichtsausdruck das Gespräch mit mir suchte und sagte "Weißt Du noch, wenn wir meinten, dass wir langsam die Hoffnung auf ein gemeinsames Kind verlieren, wir uns gleichzeitig auch wieder aufbauten? Naja, wir hatten recht!" und mit diesen Worten hielt sie mir einen positiven Schwangerschaftstest unter die Nase.

Oh Schreck ..

So sehr ich diesen Augenblick herbeigesehnt hatte, so sehr war es auch ein unerwartetes Erschrecken. Tausende Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum, sagten mir, dass sich nun so vieles ändern würde und ich brauchte ein paar Tage, um dieses Kopfchaos zu sortieren und hauptsächlich die Freude zu empfinden.

Es war in den ersten Monaten, schwierig mich mit all den neuen Eindrücken identifizieren zu können. Meine Frau veränderte sich im Wesen, war manchmal reizbar, dann wieder dem Wasser sehr nah gebaut. Den ganzen Tag liefen Sendungen rund um das Thema Schwangerschaft und Geburt, Babykataloge stapelten sich in jeder Ecke des Hauses und manchmal war ich einfach nur überfordert, weil ich das alles wie eine fremde Welt empfand. Es war als habe ich nicht teil an dem, was sich im Körper meiner Frau tat, als sei sie ganz in sich allein ohne mich wahr zu nehmen oder zu brauchen.

Die Euphorie schwappte über

Das änderte sich erst als ich verstand, dass sie mich mit all der Euphorie anzustecken und nicht zu überrumpeln versuchte. Gemeinsam gingen wir dann fürs Baby shoppen, suchten Kleidung aus, testeten Kinderwagen und auch wenn ich mir anfangs einredete, das ich mich dagegen sträubte, verfiel ich immer mehr dem Rausch meiner Frau eine Stütze beim Nestbau zu werden. Als ich dann etwa 2 Monate vor der Geburt das Babyzimmer in einer Nachtschicht renovierte und einrichtete, war jede Spur von Ausgeschlossen sein verschwunden und ich freute mich auf den Moment unser Baby im Arm halten zu dürfen.

Früher hatte ich immer gesagt, ich würde im Leben keinen Säugling auf den Arm nehmen, denn ich könnte ihn ja verletzen und auch in den Kreißsaal würde ich niemals mitgehen. So dachte ich bevor ich zum ersten Mal aktiv eine Schwangerschaft miterlebte. Nun stand für mich fest, dass ich meine Frau nicht allein bei der Geburt lassen würde. Ich wollte dabei sein, sie und unser Baby beschützen, sie stützen wenn ich konnte und natürlich war ich auch neugierig. All die Angst, die ich sonst verspürt hatte, ging unter in dem Gefühl Papa zu werden.

Es war im September, ich hatte Spätschicht und wie jeden Tag in den letzten Wochen, telefonierte ich mit meiner Frau so oft ich konnte. Wie unter Zwang, musste ich mich alle paar Minuten erkundigen, ob alles mit ihr in Ordnung sei und immer wieder beruhigte sie mich.

Eine Alarmglocke bimmelte in mir

Dieser ganze Tag war schon irgendwie anders, etwas lag in der Luft, machte mich nervös, doch ich konnte nicht sagen was es war. Meine Frau redete am Telefon von den üblichen Übungswehen, doch diesmal beruhigte ich mich nicht. Eine Alarmglocke bimmelte in mir, mein Instinkt sagte "Heute passiert was". So fuhr ich schließlich vorzeitig nach Hause, wo mich meine Stieftochter an der Haustür mit der Nachricht empfing, dass vor etwa 20min die Fruchtblase geplatzt sei. Schlagartig wurde ich so ruhig, dass ich mich heute noch wundere wie routiniert ich sein konnte. Während ich eine Freundin anrief, die uns zur Klinik fahren sollte, suchte ich alles zusammen, was wir für die Klinik gepackt hatten. Es war, als handelte da jemand anderes nur nicht ich, denn ich müsste ja eigentlich die Nervosität in Person sein.

Die lange Arbeitsschicht forderte auf dem Weg zur Klinik ihren Tribut und ich nickte im Auto ein, sodass meine Frau mich wecken musste, als wir da waren. Nun bekam ich ein schlechtes Gewissen, denn ich wusste ja, dass sie sich nicht mal eben so entspannen konnte.

Trotzdem nun alle vier Minuten die Wehen kamen, hatte meine Frau gerade einmal eine Muttermunderöffnung von 3-4 cm. Zwei Hebammen bereiteten eine große Wanne vor, in der sie sich entspannen konnte. Doch obwohl die Wehen immer stärker zu werden schienen und die Abstände schließlich im Minutentakt kamen, blieb die Öffnung des Muttermundes bei 3-4 cm.

Ich fühlte mich hilflos

Ich fühlte mich hilflos, denn es gab nichts, was ich für meine Frau tun konnte. Sie dümpelte da mit den Wehen in der Wanne und ich konnte ihr nichts abnehmen, nicht wirklich helfen und so fühlte ich mich mit jeder Wehe, die sie zu veratmen versuchte schuldiger. Ständig lief ich hinaus, um frische Luft zu schnappen, eine Zigarette zu rauchen, neuen Mut zu fassen, dass ich nun versuchen müsste für meine Frau stark zu sein. Nur wie?

Die Hebammen bemerkten meine Hilflosigkeit und auch, wie mich immer mehr die Müdigkeit überrollte. Sie kochten mir kannenweise Kaffee mit den Worten "Damit Du munter bist, wenn Dein Einsatz kommt!". Das machte mir etwas Mut, dass ich doch noch etwas tun könnte, jetzt fühlte ich mich nicht mehr ganz so schuldig und bereitete mich innerlich darauf vor meine Frau noch unterstützen zu können.

Nach fast vier Stunden beriet man über eine PDA. Der Muttermund meiner Frau öffnete sich einfach nicht weiter. Irgendetwas wurde gesagt von einer Spastik und dass man hoffe die PDA könne die nötige Entspannung bringen. Eine unbeschreibliche Angst überkam mich, aber ich wusste, jetzt war meine Zeit gekommen stark für meine Frau zu sein.

Jetzt verschwand diese Gefühl, das alles irgendwie unwirklich für mich erscheinen ließ. Alles wurde so klar, so real, eine Stimme in mir rief “Es geht los, Endspurt, nun wirst Du Papa!”. Als der Anästhesist die PDA legte, hielt ich meine Frau so fest, dass sie bald erstickt wäre, befürchtete ich doch, etwas könne schief gehen, wenn sie sich plötzlich bewegt. Dann öffnete sich der Muttermund recht schnell.

Plötzlich kam der Kopf heraus

Meine Frau fand mit den Beinen nicht mehr den Halt, den sie suchte, um beim Pressen genug Kraft hinein zu legen. So nahm ich eines ihrer Beine, drückte bei den Presswehen dagegen und es war, als würde ich teilhaben beim Hinausschieben unseres Babys. Dann plötzlich kam der Kopf zum Vorschein. Verklebt, verschmiert, mit dunklen, welligen Haaren. Gleich danach das kleine Gesicht, faltig, grimmig, rot, wie ein alter Indianerhäuptling.

Der Arm hatte sich etwas verdreht und die Hebamme musste seine Position korrigieren bevor meine Frau weiterpressen durfte. Das bekam ich nur noch beiläufig mit, denn ich konnte nicht mehr wegsehen von diesem kleinen, schrumpeligen etwas, das da gerade auf die Welt kam. Nur einen Bruchteil einer Sekunde schaute ich zur Uhr, um ganz genau den Moment zu wissen, an dem unsere Kleine vollständig geboren war, dann hatte ich endgültig nur noch Augen für sie.

Emily war da! Sie schrie nicht, weinte nicht, nein, sie gab nicht den kleinsten Mucks von sich. Alles was sie tat, war die Hebamme mit einem grummeligen Blick anzustarren, als sei sie wütend, dass man sie aus ihrem kuschelig warmen Platz in Mamas Bauch herausgezogen hatte. All die Anspannung war weg, im Kreißsaal war eine so ruhige, friedliche Stimmung als hätte es keine Wehen, keine Schmerzenslaute und erst recht keine Ängste in den Stunden zuvor gegeben.

Ich durchtrennte die Nabelschnur

Als ich die Nabelschnur durchtrennte war das für mich ein Augenblick, der mir das Gefühl gab einen Teil dazu beigetragen zu haben unsere Tochter auf die Welt zu bringen. So wie ihre Mutter ihren Teil mit den Wehen dazu beigetragen hatte, auch wenn das so nicht einfach miteinander zu vergleichen ist. Aber es war eben als hätten wir unser Kind gemeinsam geboren.

Nachdem Emily zuerst auf dem Bauch meiner Frau gelegen hatte, durfte nun auch ich sie halten. Diese Gefühl werde ich mein Leben nicht vergessen. Da war so viel Wärme, Nähe, der Wunsch, niemals mehr etwas anders zu machen als dieses zerknautschte, wunderschöne kleine Mädchen zu beschützen. Und in Gedanken sprach ich mit ihr "Ey, kleine Maus ich bin Dein Papa! Ja, ICH BIN PAPA!"

Als ich gut eine Stunde später Richtung Anmeldung marschierte, um dort die nötigen Formulare auszufüllen, fühlte ich mich als würde ich aus meinem Inneren leuchten, so als müsste mir jeder ansehen, dass ich gerade Papa geworden sei. Um mich herum trieb die Hektik des Krankenhausalltags Menschen umher, die mich nicht einmal beachteten und das machte mich sogar etwas wütend, denn ich dachte: Wie können diese Menschen nur ignorieren, dass hier ein frisch gebackener Vater an ihnen vorbei geht?

Ein paar Stunden später waren wir dann zu Hause. Wir lagen in unserem Bett, unsere kleine Tochter zwischen uns, hielten unsere Hände und bestaunten dieses kleine Wunder, das wir geschaffen hatten. Meine Frau erinnerte sich an meine Ängste, die ich manchmal gehabt hatte als sie noch schwanger war und fragte mich lachend “Und? Vor diesem Prinzesschen hattest Du Angst?” Ich überlegte kurz, schüttelte den Kopf “Nein, nicht vor ihr. Vor so einem süßen Wunder, kann man gar keine Angst haben. Wenn, dann hatte ich Angst nicht gut genug für sie zu sein!”. Und innerlich lachte ich mich aus, um dann abwechselnd meine Frau und unsere Tochter ganz vorsichtig zu küssen.

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