⎯ Wir lieben Familie ⎯

Joe Astaire

Sylvia Koppermann
Knallrote Damenpumps?
Bild: Sylvia Koppermann

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AutoreninfoSylvia Koppermann
aktualisiert: 11.03.2020Mehrfache Mutter u. Autorin
Medizin, Gesundheit und Erziehung
Mein Mann hat es wieder einmal geschafft! Ausgerechnet er drehte auf dem Firmengelände eine Pirouette, die volle Punktzahl in der Haltungsnote verdient hätte und verknackste sich den Fuß.

Zum Arzt?

Das ist doch etwas für Weicheier, meinte er. Wer so ein richtiger Mann ist, könnte sich, nur mit den Zähnen im Boden festbeißend vorwärts robben, aber er frage niemals nur nach einem Pflaster.

So humpelte er schließlich nach Hause, fluchte noch, weil das Missgeschick ausgerechnet zum Wochenende passieren musste und schimpfte, dass er seine gute Erziehung vergäße, wenn er nun gezwungen sei, den Stiefel aufzuschneiden, um den geschwollenen Huf heraus zu bekommen.

Wie gut, dass er ein fürsorgliches Weib hat, das nicht lange Fisimatenten machte und den renitenten Verletzten ins Krankenhaus karrte.

Nun saßen wir in der Ambulanz und warteten, aufgerufen zu werden.

Joe grummelte, wollte er doch gar keine Hilfe, getreu dem Motto “Was uns nicht umhaut, macht uns nur härter” und schaute sich gelangweilt um.

Lesen! Ja, damit ließe sich die Zeit vertreiben.

Nach ein paar wühlenden Griffen schnaubte er, man könne ihm mit dem Müll gestohlen bleiben. Verständnislos sah ich ihn an, folgte dann seinem Blick zum Zeitungstisch und fing an zu lachen.

Meist kommt man doch als Verletzter in die Unfall-Ambulanz eines Krankenhauses. Und ausgerechnet da liegen dann Zeitungen, die all die schönen Seiten des Reitsports beschreiben, genaueste Instruktionen über den Innenausbau geben – natürlich ohne extra betonte Unfallverhütungsmaßnahmen - auffordern, mehr Sport zu treiben oder einfach nur aufklären, wo doch heutzutage die meisten Unfälle passieren.

Wobei da sicher jeder Wartende sein eigenes Kapitelchen drunter setzen möchte. Endlich wurde Joe aufgerufen und humpelte gequält in eines der Behandlungszimmer. Die Ärztin ließ sich genau erklären, wo es weh tat, drückte hier, drehte dort und zwischen all dem zischte mein Mann immer wieder wie eine Wasserflasche mit Überdruck beim Öffnen. “Sie haben Schmerzen,” stellte die Ärztin schließlich fest und wir wussten, hier sind wir auf eine sehr kluge Frau gestoßen, die folgerichtig kombinieren konnte.

Eilig flitzte sie los, holte einen Schein für die Röntgenabteilung sowie einen Rollstuhl. Joes Augen blitzten auf: “Da kriegt mich keiner rein!”

“Schatzi, halt die Klappe und setz Dich! Jetzt kriegst Du die Fahrt in den Kreißsaal wieder, auf der Du mich, unter Wehen, zweimal gegen die Fahrstuhltür gerammt hast!” Ich wette nie zuvor wurde der Streckenrekord unterboten, den ich aufstellte, während ich meinen Mann in dem Rollstuhl zum Röntgen schob.

Blass kauerte er in dem Gefährt, leicht grünlich um die Nase und die Röntgenassistentin schaute ihn mitleidig an. “Ja, solche Schmerzen sind nicht schön! Wir beeilen uns, damit ihr Fuß so schnell es geht ruhig gestellt werden kann!” Triumphierend sah ich den beiden hinterher, während sie im Geräteraum verschwanden. Das Röntgenbild ergab zumindest keinen Bruch, aber es war sehr wahrscheinlich, dass die Bänder ordentlich etwas abbekommen hatten.

Nun ergab sich aber das Problem, dass gerade bei diesem Wetter viele Schienen gebraucht wurden, da man viele Leute nach Stürzen ins Krankenhaus brachte, die Herstellerfirma jedoch nicht mit den Lieferungen nachkam. Kurzerhand entschloss man sich für den altbewährten Gips.

Joe wurde blass.

Ein Gips?

Das ging nun gar nicht, erst recht kein Liegegips!

Wie sollte er denn da ...?

"Keine Sorge," tröstete die Ärztin ihn, "Sie bekommen noch Krücken dazu, dann können Sie wenigstens zur Toilette." Prustend lachte ich los, was mir einen verständnislosen Blick der Ärztin einbrachte. "Gute Frau, unsere Toiletten sind im Erdgeschoss!" Joe verlor eine weitere Nuance an Farbe, malte er sich gerade den Steilflug die fünfzehn Stufen hinunter aus.

Es wurde Zeit mehr Fürsorge vorzutäuschen und so lächelte ich ihn an. "Ach Schatz, das ist doch kein Problem! Elly braucht doch im Moment ihr Töpfchen gar nicht. Ich bin mir sicher, das leiht sie Dir gern. Und es ist bestimmt ganz niedlich, wenn Du dann fertig bist und der Topf bimmelt Dir zur Belohnung eine Melodie." Die blauen Augen meines Mannes verengten sich zu Blitze schleudernden Schlitzen. Der Gips wurde angepasst und damit alles etwas fröhlicher wirkte, umwickelte man ihn mit einer knallroten Binde.

"Toll, sieht ja fast aus wie ein roter Damenpumps!" knurrte Joe, um sich im nächsten Moment eines ganz anderen Problems bewusst zu werden: Er passte nicht mehr in seine Hose!

"Wird ja immer schöner, ich kann doch nicht, mitten im Winter, im Schlüpfer über den Parkplatz hopsen!"

"Naja, bis zum Auto ist doch gar nicht so weit ..." Der nächste Pupillenblitz ließ mich lieber schweigen. Die aufmerksame Assistentin brachte eine knallblaue OP-Hose mit weiten Beinen. Ein paar Minuten später steckte der rote Verband in der blauen Hose und wir steuerten Richtung Parkplatz.

"Ich komme mir vor wie ein bunter Hofnarr," zischte mein Schatz und ich musste ehrlich gestehen: "Ja, das glaube ich Dir, vor allem weil Du Dich dazu passend bewegst mit Deinem unkontrollierten Dreibeinlauf!"

Zu Hause lag Joe dann auf der Couch und beobachtete mich. "Sag mal, Maus, irgendwie habe ich das Gefühl, Du hast Deinen Spaß bei meiner Hilflosigkeit."

Ach Quatsch, man könnte ja meinen, Du denkst, ich sei schadenfroh! Aber das bin ich doch sicherlich nicht! Ich werde mich jetzt nicht dran erinnern, wie Du Dich kaputt gelacht hast als ich diese seltsamen Pillen nehmen musste, die mich lallen und im Kreis laufen ließen oder wie Du mir im Kreißsaal auf dem Kopf herum geklopft hast, weil Du meintest, wenn ich mich ausruhe, könnte sich die Geburt verzögern. In meinem Kopf entsteht auch kein Bild, wie Du die Akupunkturnadel in meinem Kopf lachend zum Blitzableiter erklärtest und erst recht denke ich nicht daran, wie oft Du mir von der schmerzhaften Entfernung Deines Zehennagels erzählt hast als meiner eingewachsen war und ich vor Angst fast tausend Tode gestorben bin, in nackter Panik, dass man meinen Nagel auch zieht. Nein Schatzi, keine Sorge, ich bin nicht schadenfroh.

Ich bin mir nur ziemlich sicher, dass ich die nächsten Wochen, in denen Du mir völlig ausgeliefert bist, sehr genießen werde!” Und bereits am nächsten Tag wusste er, wie ernst ich meine Aufgabe der Krankenpflegerin nehmen würde als ich in der einen Hand die Thrombosespritze hielt, während ich mit dem Stift in der anderen Hand eine Zielscheibe auf seinen Bauch malte.

[SyKo]

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