Autoreninfo | Katharina Krause | |
aktualisiert: 07.08.2021 | Vierfache Mutter und Autorin | |
Medizin, Gesundheit und Erziehung |
Mit etwa 64 Wochen kommt dein Kind in den 9. Entwicklungsschub und es wird einen weiteren großen Sprung nach vorne in seiner frühkindlichen Entwicklung machen.
Dies ist übrigens auch der Fall, wenn das Kind merkt, dass seine Eltern nicht gleich verstehen, was es von ihnen möchte und so kannst du womöglich beobachten, dass dein Kind gar keinen zweiten Versuch unternimmt dir klarzumachen, was es von dir will, sondern direkt in einen Wutanfall übergeht. Auch Dinge, die ganz normal sind, wie dass ein Turm aus Holzklötzen zum Beispiel irgendwann einfach einstürzt, sich ein bestimmter Gegenstand nicht verrücken lässt oder sich dein Kind irgendwo stößt und etwas weh tut, können jetzt große und sehr heftige Reaktionen auslösen.
Dieser Ärger wird nun auch deutlich häufiger von den Eltern zum Ausdruck gebracht, die hiermit versuchen ihrem Kind klarzumachen, dass sein Verhalten und seine Reaktionen auf bestimmte Umstände so einfach nicht gehen. Da dein Kind in diesem Alter ja nun auch schon einiges versteht, ist dieses Vorgehen vollkommen nachvollziehbar. Trotzdem ist es meistens so, dass dein Kind einfach kein Einsehen haben wird und so kommt es nicht selten vor, dass die in der Regel schon stark strapazierte Geduld der Eltern irgendwann an ihr Ende kommt und das Kind ganz schnell im Laufstall oder Bett landet.
Je älter dein Kind wird, desto häufiger wirst du feststellen können, dass es ganz andere Dinge machen möchte, als du es dir wünschen würdest. Hierbei kann es schnell passieren, dass aus dem Tadeln, weil dein Kind etwas falsch gemacht hat, ein ausgewachsener Streit erwächst, weil dein Kind einfach nicht mehr klein beigeben möchte.
Gerade zum Ende dieser schwierigen Phase sind die Nerven beider Parteien, also sowohl die Nerven der Eltern als auch die Nerven des Kindes, so in Mitleidenschaft gezogen, dass der Streit sehr schnell eskaliert.Bisher war dein Kind vor allem in der Lage, Programme auszuführen, was nichts anderes war, als eine Abfolge von Tätigkeiten. Du wirst feststellen können, dass dein Kind nun Stück für Stück mehr Einfluss auf die Programme nehmen kann und dies auch deutlich leichter an Situationen anpassen kann. Erst jetzt ist es in der Lage, mögliche Folgen von seinem Handeln zu überdenken, Pläne zu machen und Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Das Denken ist für dein Kind nun so etwas wie eine Vollzeitbeschäftigung.
Vermutlich kannst du nun immer häufiger beobachten, wie dein Kind irgendwo da sitzt und versucht, sich zu entscheiden, was es nun tun soll, wie es das tun soll und ob es nicht vielleicht doch lieber etwas anders anderes tun sollte. Entscheidungen über Entscheidungen werden von deinem Kind abverlangt und viele Kinder empfinden dieses als ein wenig kompliziert. Schnell wird aus einer Entscheidung eine ganze Abfolge von weiteren Entscheidungen. Dein Kind entscheidet sich zum Beispiel sich zu setzen, seine Bauklötze hervorzuholen und diese aufeinanderzustapeln.
Schon steht es vor der ersten Entscheidung: soll es nun weiterspielen oder soll es wieder aufhören. Entscheidet es sich dazu, weiterzuspielen, so setzt es womöglich noch ein oder zwei weitere Bauklötze auf den Turm, bevor es erneut vor der Frage steht, ob es nun weiter diesen Turm in die Höhe bauen, ihn umwerfen oder vielleicht einfach gehen und etwas anderes anfangen soll. Egal was von diesen Dingen es wählt, es katapultiert sich damit direkt in die nächste Situation, in der in der Regel ebenfalls wieder eine Entscheidung von ihm verlangt wird. Bei jeder dieser Entscheidungen ist es ebenfalls wichtig, dass dein Kind sich vor der eigentlichen Handlung dazu entscheidet, wie es diese ausführen will - langsam und vorsichtig oder vielleicht doch lieber relativ schnell und dafür eher gewagt.Wird es gehorchen oder versuchen, irgendetwas anders zu machen und dabei etwas zu tun, was es womöglich gar nicht darf? Je nachdem, zu welcher Entscheidung es kommt, muss es sich womöglich auch noch mit der Frage auseinandersetzen, wie es dieses jetzt im einzelnen umsetzt und wann es dieses genau tut.
Erst wenn man sich dieses einmal ganz bewusst macht, erkennt man, wie anstrengend gerade die ersten Tage mit dieser neuen Fähigkeit sind. Überall warten Entscheidungen auf dein Kind und es gibt nichts, was man tun kann, ohne dass man irgendeine Entscheidung treffen muss. Gleichzeitig erkennt dein Kind aber auch, dass es nun in der Lage ist, genauso wie Mama oder Papa seinen eigenen Weg zu gehen und sein Leben zu bestimmen.
Dein Kind wird in dieser Zeit mit allen Möglichkeiten versuchen zu experimentieren und herauszufinden, welche Möglichkeiten sich in welchen Situationen besonders gut eignen. So kann es durchaus passieren, dass es zu dir kommt, dir ein Küsschen gibt und mit dir schmust, weil es einen Keks haben möchte und beim nächsten Mal direkt weint, obwohl es dir noch nicht einmal gesagt hat, was es eigentlich möchte. Das ist sowohl für das Kind als auch für die Eltern eine aufregende und womöglich sogar sehr anstrengende Zeit.Hierbei dürfen wir nicht vergessen, dass wir im Gegensatz zu unseren Kindern über sehr viel mehr Erfahrung im Bereich des Entscheidungen-Treffens verfügen. Prinzipien wie Gerechtigkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Genügsamkeit, Sachlichkeit, Treue, Vorsicht, Sorgfalt, Kooperationsbereitschaft und Ähnliches sind deinem Kind in dieser Phase noch nicht wirklich bekannt und es hat noch nicht gelernt, wie wichtig oder unwichtig diese Dinge sein können. Auch die liebe Geduld fällt übrigens unter diese Kategorien. Für dein Kind ist das alles noch Neuland und es muss erst lernen, was es heißt, auf andere Rücksicht zu nehmen, effizient vorzugehen oder liebevoll und respektvoll zu sein.
Diese Dinge sind allerdings nicht allgemeingültig und unterscheiden sich von Kultur zu Kultur gravierend. Und somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die meisten dieser Prinzipien von den Eltern unterschiedlich stark gewichtet und somit ihren Kindern auf unterschiedliche Arten und Weisen vorgelebt werden. Ein Kind aus Deutschland oder den Niederlanden zum Beispiel wird bei einer Begrüßung in der Regel seine rechte Hand geben, in England würde ein kleines Kind lernen, dass man sich bei einer Begrüßung zunickt, in einigen afrikanischen Staaten gibt man sich sogar beide Hände und in Japan begrüßt man sich mit einer Verbeugung. Das Erlernen von Prinzipien wird noch dadurch erschwert, dass viele Faktoren unser Handeln bestimmen: so kann das Wetter, die Person die beteiligt ist, unsere persönliche Laune, die Umgebung oder auch ganz andere Sachen enormen Einfluss darauf ausüben, wie wir in einer Situation reagieren bzw. agieren.
Gerade Kleinkindern fällt es sehr schwer, ein Konzept hinter unserem Vorgehen zu erkennen, da meistens viele verschiedene Faktoren gleichzeitig Einfluss auf unsere Handlung und die Art unseres Vorgehens nehmen. Hierbei fällt es den Kindern besonders schwierig, flexibel auf sich verändernde Gegebenheiten zu reagieren. Dein Kind wird die meisten Prinzipien, die es einmal verstanden hat, relativ starr anwenden und sich sehr schwer damit tun, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Dies fällt übrigens auch vielen Erwachsenen nicht ganz einfach. Möglichkeiten, sich auf wechselnde Umstände einzustellen, werden sich im nächsten Sprung einstellen.