Autoreninfo | Katharina Krause | |
aktualisiert: 26.02.2019 | Vierfache Mutter und Autorin | |
Medizin, Gesundheit und Erziehung |
Immer mehr Studien belegen, dass das viele Sitzen für den Menschen gar nicht so gut ist,
und dementsprechend gerade unsere Kinder extrem schädigt. Sie müssen nicht nur sechs
Stunden am Vormittag auf einem Stuhl sitzen, sondern sich dann auch noch am
Nachmittag gezwungenermaßen wieder an einen Tisch setzen und die Nase erneut in ihre
Hefte stecken, statt sich angemessen zu bewegen. Viele Kinder bekommen dadurch kaum noch
die Möglichkeit, ihre Zeit im Freien oder mit Spielen zu verbringen, weil sie von der Schule nach
Hause kommen, um sich zu Hause direkt hinzusetzen und ihre Hausaufgaben zu machen. Im
Anschluss an die Hausaufgaben findet dann in vielen Familien auch schon fast das
Abendprogramm statt.
Damit wären wir übrigens beim nächsten guten Grund, der gegen Hausaufgaben spricht: Kinder haben teilweise einen längeren Arbeitstag als Erwachsene. Es ist
nicht unüblich, dass ein Kind sechs Stunden Unterricht hat, ein bis zwei Stunden zur Schule hin
und zurück braucht und dann noch einmal etwa weitere 3 Stunden an seinen Hausaufgaben sitzt, damit
es diese wenigstens halbwegs fertig abgeben kann. Schaut man sich das nun einmal genauer
an, bedeutet das, dass unsere Kinder einen 11-Stunden-Tag haben und quasi nirgendwo die
Möglichkeit, sich noch irgendwie spielerisch zu entfalten oder interessanten
Hobbys nachzugehen. Da stellt sich die Frage, wer nach einem 11-Stunden-Tag, der voll mit
schulischer Arbeit war, noch Lust und Energie hat, sich abends noch damit
auseinanderzusetzen irgendetwas anderes zu lernen oder zu tun. Es ist also kein Wunder, dass
unsere Kinder vor den PCs langsam aber sicher verblöden und die außerschulischen Aktivitäten
wie Vereine oder Freunde treffen, einfach auf der Strecke bleiben.
Ein weiterer guter Punkt, der gegen Hausaufgaben spricht, ist die Tatsache, dass die
Chancengleichheit, die Kindern versprochen wird, mit Hausaufgaben
komplett zunichtegemacht wird. Man kann keine Kinder vergleichen, deren Lebensbedingungen
komplett unterschiedlich sind. Man stelle sich bitte nur einmal folgendes Beispiel vor:
Kind A lebt mit seiner Familie in einer relativ kleinen Wohnung zusammen mit seinen
Geschwistern. Wenn Kind A Hausaufgaben machen möchte, so sitzt es in der Regel in der
Küche am Esstisch oder mit etwas Glück an einem Schreibtisch. Immer wieder wird es gestört,
weil kleine Geschwister durch die Gegend laufen oder ein Elternteil irgendetwas aufräumt oder
tut. Wenn es Fragen hat, so braucht es sich nicht an den Elternteil zu wenden, weil dieser keine
Zeit hat oder auch einfach auch, weil die Fähigkeiten des Kindes in dem Fach schon die seiner Eltern
übersteigen. Es hat keine Chance, irgendjemanden um Hilfe zu bitten, muss mit dem, was es
dort vor sich liegen hat, selbstständig klar kommen und eben wirklich alles allein regeln.
Bei Kind B sieht das alles ganz anders aus. Dieses Kind hat ein großes eigenes Zimmer, keine
Geschwister und auch sonst nichts, was irgendwie seine Konzentration stört, wenn es
Hausaufgaben machen soll. Wann immer eine Frage auftaucht oder etwas unklar ist,
kann Kind B jederzeit zu einem Elternteil gehen und bekommt von diesem sinnvolle Hilfe, weil
die Eltern in der Lage sind, den Unterrichtsstoff zu verstehen und ihn noch beherrschen.
Die Aufgaben dieses Kindes werden in der Regel von seinen Eltern abends noch einmal
kontrolliert. Das, was der Lehrer also zu sehen bekommt, ist eine bereits korrigierte Fassung, bei dem das Kind Hilfe gehabt hat. Reichen die Fähigkeiten der
Eltern nicht aus, erhält das Kind Nachhilfe oder Zugang zu allen möglichen Hilfen.
Jedem sollte hier klar sein, dass man Kind A mit Kind B nur schwerlich vergleichen kann. Im Endeffekt wird aber genau das getan. Gibt Kind A eine
schlechtere Hausaufgabe ab als Kind B, so bekommt Kind A eine schlechtere Note als Kind B.
Geben beide eine etwa gleich gute Hausaufgabe ab, so hat Kind A dabei wesentlich mehr
geleistet als Kind B, aber trotzdem bekommen beide dieselbe Note, da es nur darum geht, ob und wie gut
die Hausaufgaben gemacht wurden und nicht wie die Umstände
gewesen sind, unter denen das Kind diese Aufgabe erledigt hat. Hier sollte wirklich jedem klar
werden, dass Chancengleichheit etwas ganz anderes ist als das, was beim
Hausaufgabenmachen vorherrscht. In dem Fall sind wir übrigens auch schon bei einem
weiteren Punkt, der gerne angeführt wird, wenn es um die Nachteile von Hausaufgaben geht:
Niemand kann hinterher mehr genau sagen, ob das Kind die Hausaufgaben alleine gemacht hat,
es Hilfe hatte oder ob es diese womöglich gemacht bekommen hat. Es ist nicht mal so unüblich, dass sich manchmal Eltern hinsetzen und die
Hausaufgaben für ihre Sprösslinge machen. Das ist natürlich nicht im Sinne der Erfindung, aber
wenn das Kind schon seit Stunden an den Hausaufgaben gesessen hat, mittlerweile in Tränen
aufgelöst ist und genau weiß, dass es sich eine schlechte Note einfängt, wenn es morgen ohne
die Hausaufgabe zur Schule kommt, dann lassen sich hin und wieder die Eltern doch
tatsächlich erweichen und übernehmen die Aufgaben für das Kind. Leider sind solche oder
ähnliche Szenarien nicht so selten und unnormal, wie man vielleicht annehmen möchte.
Hausaufgaben setzen Familien unter einen enormen Leistungsdruck. Damit das Kind die
Hausaufgaben richtig machen kann, braucht es womöglich Hilfe und nicht immer steht diese in
Form eines echten Nachhilfelehrers zur Verfügung, weil sich nicht alle Eltern einen
Nachhilfelehrer leisten können. Dies führt in einigen Elternhäusern dazu, dass sich die Eltern
zusätzlich zu ihrer normalen Arbeitstätigkeit nun auch noch mit dem Schulstoff
auseinandersetzen müssen, damit sie ihren Kindern helfen können. Hieraus entstehen natürlich
auch einige Probleme, wenn man bedenkt, dass die meisten Eltern selbst in der Regel Vollzeit
tätig sind und dementsprechend eigentlich auch keine Zeit haben, um sich als Nachhilfelehrer
weiterzubilden. Natürlich gibt es immer mal wieder Möglichkeiten durch Zuschüsse oder andere Leistungen Nachhilfe zu bekommen, aber machen wir uns nichts vor - die Chancen,
dass irgendjemand für das eigene Kind einen Nachhilfelehrer bezahlt, sind relativ gering und
man könnte schon fast sagen, das passiert eigentlich nur dann, wenn Weihnachten und Ostern
auf einen Tag fallen. Oder anders ausgedrückt: In der Theorie ist alles möglich, versucht man
es aber umzusetzen, so steht man in der Regel direkt vor gut verschlossenen
Türen und ellenlangen Begründungen, warum ausgerechnet hier ein Sonderfall vorliegt und
ausgerechnet das eigene Kind keine Unterstützung erhält. Es gibt zwar oft eine ganze Menge
Dinge, die in der Theorie gut klingen, aber im Endeffekt wohl nur auf eine Handvoll Menschen
überhaupt zutreffen.
Darüber hinaus kommt die Tatsache zum Tragen, dass noch viele Kinder unter Schlafmangel
leiden. Diese kommen in der Regel nach Hause und haben keine Lust, sich direkt wieder an die
Aufgaben zu setzen. Ein Punkt, den wohl jeder von uns nachvollziehen kann. Eigentlich sollten
Kinder, Kinder sein dürfen. Sie sollten toben und spielen und nicht nur arbeiten müssen. So
kommt es nicht selten vor, dass die Hausaufgaben dann auf den Abend verschoben werden
und da Kinder in der Regel dazu neigen, sich da ganz gewaltig zu verschätzen, wie lange sie für
diese Hausaufgaben brauchen, sitzen die Kinder dann in der Regel viel zu lange davor, bevor sie endlich ins Bett gehen dürfen. Das bedeutet, dass sie am
nächsten Morgen aufstehen müssen, obwohl sie noch müde sind und gar nicht genug Schlaf
bekommen haben.
Im Fazit könnte man also sagen: Hausaufgaben versauen die Kindheit unserer Kinder. Als
wäre es nicht schon schlimm genug, dass Kinder zwangsweise mit vielen anderen Kindern
in einem Raum eingesperrt, an Tische gesetzt werden und dort aus Büchern lernen
müssen und teilweise sehnsüchtig bei 30° schwitzend
nach draußen gucken und hoffen, dass die Schule bald vorbei ist, damit sie endlich einmal
rausgehen können, werden die Kinder in der Regel dann auch noch dazu genötigt, dass wenn
sie ihr Pflichtpensum oder besser gesagt ihre Anwesenheitspflicht erfüllt haben,
sich dann auch noch zu Hause hinzusetzen müssen, um den Rest des Tages auch noch mit Hausaufgaben zu verbringen. Unsere Kinder werden zu richtigen kleinen Arbeitsbienen
erzogen, die von morgens bis abends nur damit beschäftigt sind, irgendwelche Dinge zu tun,
deren Sinn oder Unsinn noch nicht so recht festgelegt ist. Man darf sich darüber eigene
Gedanken machen, ob das ein Fehler im System ist, den man bisher nur noch nicht gesehen
hat oder nicht weiß, wie man ihn ändern soll oder ob es womöglich sogar Absicht ist. Ein Fakt
ist zumindest, dass die meisten Kinder Hausaufgaben hassen. Mit der einen Ausnahme, dass die
Kinder womöglich lernen, selbstständig und strukturiert zu arbeiten, lassen sich die meisten
angeführten Vorteile direkt entkräften oder wirken neben den immensen Nachteilen relativ
witzlos.
Leider hat sich die Abschaffung der Hausaufgaben bis heute nicht durchgesetzt und so wie
das in der Regel läuft, kann man davon ausgehen, dass sich an diesem Umstand
wohl auch nicht so schnell etwas ändern wird. Dementsprechend kann man nur versuchen,
das Beste aus den Hausaufgaben zu machen.
[KaKra]