Autoreninfo | Mag. Carina Runge-Mathis | |
aktualisiert: 28.02.2013 | Gründerin von Mamiweb, Mehrfache Mutter | |
Gesundheit, Familie, Soziales |
Brief an das Würmchen von Julia
Ich habe leider Erfahrungen mit Fehlgeburten gemacht. Meine ersten beiden Schwangerschaften sind auf diese tragische Art zu Ende gegangen. Beim dritten und schwersten Versuch ist mein Wunsch nach einem gesunden Baby in Erfüllung gegangen. Schwer deshalb, weil natürlich die Ängste immer wieder kamen. Mein kleines Monster ist mittlerweile 3 Jahre alt, sie hat mir am meisten geholfen, mit dem Schicksal umzugehen. Dennoch ist die Angst sehr groß, dass es bei dem Versuch, ein zweites Kind zu bekommen, wieder zu Fehlgeburten kommt.
Ich habe nach meiner ersten Fehlgeburt einen Brief geschrieben, um anderen mitzuteilen, wie es mir geht (es fragt einen ja in so einem Fall nicht mal jemand, wie es einem geht). Weiter unten findest Du meinen Brief, ich würde mich freuen, wenn er veröffentlicht wird. LG Julia
Donnerstag, 5. Januar 2006
Brief an unser Würmchen
Am 06.12.2005 erfuhr ich von dir, groß war die Freude, ich hatte Tränen in den Augen. Die morgendliche Übelkeit, das Ziehen im Bauch und in der Brust, die ständige Müdigkeit, alles ergab einen Sinn und fühlte sich plötzlich schön an. Zu lange hatte ich auf dich gewartet. Aufgeregt fuhr ich zum Arzt, wo ich dich zum ersten Mal sah. Ein kleiner weißer Punkt, kaum zu erkennen und doch gehörte dir meine ganze Liebe. Noch aufgeregter fuhr ich zu deinem Vater, um ihm von dir zu erzählen. Vor 6 Wochen hattest du dich in unser Leben geschlichen, ohne dass wir es bemerkt haben. Nur die offene Frage nach dir war da. Jetzt haben wir uns sehr auf dich gefreut. Deine Omis, dein Opi, deine Uromas, Großcousinen und alle anderen haben sich sehr auf dich gefreut und dich als kleinen, weißen Punkt auf einem Ultraschall geliebt.
Ich konnte es kaum fassen, was da in meinem Körper geschieht, ich wollte alles über dich wissen und so las ich im Internet nach. Du solltest jetzt so groß wie eine Blaubeere sein.
Aus Respekt vor dir habe ich keine Lebensmittel mehr angerührt, die die Größe einer Blaubeere hatten; dafür verursachtest du bei mir einen ungeheuren Appetit auf Streichhölzer, den ich mir bis heute nicht erklären kann.
Die darauf folgenden Wochen waren, denke ich auch für dich sehr schwer. Ich hatte sehr viel Stress bei der Arbeit, war psychisch völlig fertig. Ich wollte nicht schwer heben und da habe ich Ärger bekommen und du musstest bis zur 9. Woche (23.12.2005) auf Erdbeergröße heranwachsen.
Am 25.12.2005 hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist und obwohl mir viele Menschen versichert haben, dass die Beschwerden, die ich habe, alle normal sind, tat ich das Beste was ich machen konnte, ich fuhr mit dir und deinem Vater ins Krankenhaus. Dort angekommen wurden wir sehr freundlich aufgenommen und uns wurde versichert, dass sie mal nach dir schauen. Ich war sehr gespannt auf das Ultraschallbild, denn immerhin bist du jetzt bestimmt mehr als ein kleiner weißer Punkt. Und so war es auch. Für mich sahst du aus wie eine Art zu groß geratene Bohne. Die Ärztin hat mir erklärt, wo dein Köpfchen ist und deine Beinchen sind und dass du dich schon etwas bewegst. Ich habe ehrlich gesagt, kaum was erkennen können und schon gar keine Bewegungen gesehen, aber dein Herz, das habe ich gesehen, es schlug sehr schnell. Plötzlich hörte ich ein sehr schnelles pochen im Raum, zuerst konnte ich es nicht zuordnen, erst mit den Worten der Ärztin "Das ist der Herzschlag ihres Kindes" begriff ich immer mehr, dass du schon ein kleines Lebewesen bist. Dieses Glücksgefühl lässt sich kaum beschreiben, ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Die ganze Nacht habe ich von dir geträumt, dein Herz gehört. Ich war sehr glücklich und freute mich sehr auf meinen ersten Vorsorgetermin am 03.01.2006, denn ich wollte dein kleines Herz wieder hören. Die Wochen danach bildete ich mir ein, dass ich schon deine Bewegungen spüre.
Dann endlich am 03.01.2006 war es - nach für mich viel zu langem Warten - so weit, mein erster Vorsorgetermin sollte heute sein. Ich bin sehr früh aufgewacht, weil ich zu aufgeregt war zum Weiterschlafen. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem wieder sehr gut morgens. Keine Übelkeit, kein Spannungsgefühl, keine Schwäche usw. und dazu dürfte ich später wieder dein kleines Herz hören können. Doch dieser Gedanke im Hinterkopf... ob es vielleicht nicht mehr schlägt? Ich habe diesen Gedanken verdrängt, das ist bestimmt ein normaler Gedanke. Ich habe im Vorfeld schon oft gedacht und erwähnt, dass etwas schief gehen würde. Der Gedanke ließ sich schnell verdrängen allerdings meine Überzeugung danach nicht. Ich ließ mir aber auch an diesem Tag wieder gern sagen, dass alles gut sein wird und so fuhr ich mit einem etwas komischen Gefühl zu meinem Arzt.
Und doch, du warst noch da. Mit den Worten "Da ist ihr Kind" sah ich dich. Du lagst anders als vor zwei Wochen und warst für mich noch schwerer zu erkennen, ich freute mich, dich endlich wieder sehen zu dürfen. Doch dann kam der Satz, vor dem ich die ganze Zeit so große Angst hatte. Mit diesem Satz wurde mein schlimmster Albtraum Realität und ich hielt diesen Satz für einen schlechten Scherz. Ich lag in einer völlig hilflosen Position, also so wie man beim Frauenarzt immer liegt, nur dieses mal kam ich mir noch hilfloser vor - als ich den Satz hörte "Ich kann das Herz nicht finden". Ich dachte: Ja dann such doch gefälligst weiter, es wird schon irgendwo sein, such weiter, es war doch vorher auch da.... nun such doch endlich! Dann musste ich wieder runter vom Stuhl mit dem irrsinnigen Gedanken, dass schon nichts sein wird... es ist bestimmt normal, das Herz wird wieder schlagen und im August werde ich mein Baby in den Armen halten dürfen.
In einem kurzem Gespräch erfuhr ich, dass 15 Prozent der Schwangerschaften so enden und trotzdem dachte ich, dass es nicht sein kann ... ich gehörte noch nie zur Minderheit. Ich begann mir die Schuld zu geben, was mein Arzt versuchte, mir auszureden, da er meint, dass keiner was dafür kann. Ich bekam eine Krankmeldung und einen Termin für den nächsten Tag für eine OP zur Ausschabung. In meinem Mutterpass schrieb er "missed abortion" oder sowas ähnliches, da begriff ich erst, dass du tot bist.
Viele Menschen haben mich mit dem Worten "beim nächsten klappt es und es wird umso gesünder" versucht zu trösten. Ich will aber kein anderes Kind, ich will dich wieder haben, die Trauer um dich ist unerträglich. Ich fühle mich leer und nutzlos und ich weiß nicht, ob ich es je überwinden kann. Ich hätte alles für dich getan.
Die darauf folgende Nacht war wahrscheinlich die schlimmste Nacht in meinem Leben. Ich dachte viel an die vergangenen Wochen, habe gegrübelt, was ich falsch gemacht habe, habe mir die Schuld gegeben, habe meinen Bauch gehalten in dem dein lebloser Körper noch drin war, habe die Nacht nicht geschlafen. Wollte diese Leiche, die in meinem Körper war und die ich trotz allem über alles liebe, endlich los werden. Mein Gesicht schmerzte von den zahllosen Tränen, die ich verlor.
Beim Empfang in der Tagesklinik am nächsten Tag brach ich so in Tränen aus, dass ich die Fragen für die Aufnahme nicht selber beantworten konnte, alle starrten mich an und ich wartete in einem separatem Wartezimmer zwei Stunden darauf, dass ich dran kam. Immer noch in der Hoffnung, dass sie mich wieder nach Hause schicken würden, weil dein kleines Herz nun doch wieder schlägt. Doch das geschah nicht. Alles wurde wie geplant durchgeführt und in der Narkose hatte ich wenigstens ein wenig Schlaf. Ich wachte um dich weinend und schreiend, so wie ich eingeschlafen war, wieder auf und fühle mich auch jetzt noch vollkommen leer.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass du jetzt an einem besseren Ort bist - so wie man es sagt, wenn jemand stirbt. Der einzige kleine Trost, den ich habe ist, dass du wohl nicht überlebensfähig gewesen wärst und dass es alles einen Grund hatte.
Deine dich immer noch sehr stark liebende Mutter
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Ein wunderschöner Gedanke das die kleinen Sternenkinder immer in der Nähe sind, ich selbst habe sowas schlimmes zum Glück noch nie erleben müssen und hoffe auch das es mir erspart bleibt ich kann mir nichts schlimmeres Vorstellen als ein Kind zu verlieren egal in welchem Stadium. Ich wünsch dir ganz viel Kraft und hoffe das der Spruch die Zeit heilt Wunden dir auch ein bischen helfen wird und mit der Zeit die Wunde nicht mehr so frisch ist wie jetzt und du noch ein süßes ganz gesundes Baby bekommen wirst. Lg