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Kinderbetreuung in Schweden

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Alexander Hauk / pixelio.de
Kinderbetreuung in Schweden
Bild: Alexander Hauk / pixelio.de
AutoreninfoSylvia Koppermann
aktualisiert: 22.03.2011Mehrfache Mutter u. Autorin
Medizin, Gesundheit und Erziehung
Viele berufstätige Eltern hierzulande schauen neidisch nach Schweden, scheint doch dort alles ein bisschen schöner und besser zu sein. Vor allem, was die Kinderbetreuung angeht, gelten gerade die skandinavischen Länder als Vorreiter für andere Nationen

Dabei haben schwedische Eltern gar keine andere Wahl, als arbeiten zu gehen: Hohe Steuern und Lebenshaltungskosten, die Single- und Familienhaushalten in gleichem Ausmaß treffen, machen es fast unmöglich, mit nur einem Gehalt  eine Familie zu ernähren. Und was ist mit den Eltern, die ihre Kinder von zu Hause aus betreuen, also nicht arbeiten? Sie haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen, sind also vom schwedischen Wohlfahrtsstaat ausgeschlossen.

Seit den 1970er Jahren ist die schwedische Familienpolitik auf die Integration und Vollbeschäftigung aller schwedischen Bürgerinnen und Bürger in den Arbeitsmarkt ausgerichtet. Soll heißen, in Schweden orientiert sich der Staat am Leitbild berufstätiger Eltern. Die, die arbeiten, erfahren viel und jene, die nicht erwerbstätig sind, bekommen wenig staatliche Unterstützung. Frauen werden generell eher als Erwerbstätige, denn als Mütter betrachtet. Dies hat dazu geführt, dass in Schweden das Modell der Hausfrau als überholt gilt. Frauen, die den ganzen Tag zu Hause bleiben, müssen sich die Frage gefallen lassen, was sie denn eigentlich den lieben langen Tag so tun.

Folglich verfügt Schweden über ein Betreuungsangebot, das mit Hinblick auf Umfang und Qualität im europäischen Kontext seinesgleichen sucht. Und so sieht die Betreuungslandschaft gegenwärtig aus: Ab dem ersten Lebensjahr haben Kinder in Schweden einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, der bei der Kommune angemeldet werden muss. Wartezeiten wie sie bei uns zum Alltag gehören, gibt es in Schweden nicht. Bis zum sechsten Lebensjahr besuchen Kinder berufstätiger Eltern Kindertagesstätten, in denen sie den ganzen Tag oder bis Mittag bleiben können. Kinder nicht erwerbstätiger Eltern (auch in Elternzeit) dagegen haben nach einem Beschluss aus dem Jahr 2002 nur einen Anspruch auf drei Betreuungsstunden pro Tag.

Betreut werden die Kinder von geschultem Personal, das in mehr als der Hälfte der Fälle aus ausgebildeten Erzieherinnen, Erziehern, Freizeitpädagogen oder in geringerem Umfang aus Kinderpflegern besteht. Die Gruppengröße liegt im Durchschnitt bei 15 bis 20 Kindern mit drei Mitarbeitern. Finanziert wird die Betreuung mittels einer Gebühr der Eltern, die sich nach der Betreuungsdauer des bzw. der Kinder und dem Einkommen richtet, eine Maximalgebühr aber nicht überschreitet. Jeden Monat zahlen Eltern

  • für das erste Kind drei Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 137 Euro

  • für das zweite Kind zwei Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 91 Euro

  • für das dritte Kind ein Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 46 Euro

Die Betreuung für das vierte Kind ist frei. Insgesamt ergeben sich 575 Betreuungsstunden für vier- bis fünfjährige Kinder (Stand 2009). Alternativ besteht neben der Kindertagesstätte die Möglichkeit,  eine Tagesmutter zu verpflichten. Deren Einsatzzeiten können stärker an die Arbeitszeiten der Eltern angepasst werden und vor allem auf dem Land werden Tagesmütter gerne in Anspruch genommen. Zehn Prozent der unter Sechsjährigen in Schweden werden von einer Tagesmutter betreut.

Ab dem sechsten Lebensjahr ist es dann Zeit für die Vorschule (förskolor), in der die Kinder auf die richtige Schule, die sie ein Jahr später besuchen, vorbereitet werden. Die Vorschule hat das ganze Jahr über geöffnet und richtet sich mit ihren Öffnungszeiten nach den Arbeitszeiten der Eltern. Dem Konzept nach versteht sie sich als sozialer und kultureller Treffpunkt, wo Kindern die grundlegenden Werte Solidarität, Demokratie, ökologisches Lernen und Verantwortung vermittelt werden. Zwar ist der Besuch der Vorschule nicht verpflichtend, dennoch wird sie von 80 Prozent der Familien genutzt. Kinder nicht berufstätiger Eltern haben die Möglichkeit, sogenannte offene Vorschulen zu besuchen.

Im Alter von sieben Jahren kommen schwedische Kinder dann schließlich in die Schule, wo sie bis zu ihrem zwölften Lebensjahr auch nachmittags bis zum Abend (und bei Bedarf auf vor Schulbeginn) betreut werden. Auch für die außerschulische Nachmittagsbetreuung wird eine Maximalgebühr fällig, die wie folgt zahlbar ist:

  • Für das erste Kind, zwei Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 91 Euro

  • Für das zweite Kind ein Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 46 Euro

  • Für das dritte Kind ein Prozent des Haushaltseinkommens, maximal aber 46 Euro

  • Für das vierte Kind: nichts

Während der Ferien wird die Kinderbetreuung dann von unterschiedlichen Freizeiteinrichtungen oder -heimen übernommen. Auch Kinder ab 12 Jahren finden hier ihr Plätzchen, bis die Eltern von der Arbeit nach Hause kommen. Anders als bei uns in Deutschland haben Vereine und Verbände mit Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche seit den 1990er Jahren den größten Zulauf. Man sieht also, wie flächendeckend in Schweden die Kinderbetreuung angeboten wird. Es werden allerdings immer mehr Stimmen von Bindungsforschern und Entwicklungspsychologen laut, die vor der zu frühen Fremdbetreuung von Kindern warnen.

[AKH]

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