Obwohl die motorische Entwicklung nicht das Einzige ist, das sich im ersten Lebensjahr rasant entwickelt, nehmen viele Eltern doch genau diesen Teil am deutlichsten wahr. Es sind die Meilensteine der Motorik, an die sich die Eltern vornehmlich zurückerinnern, wenn das erste Lebensjahr vergangen ist und sie zurückblicken. Das erste Mal, wenn sich das Baby vom Rücken auf den Bauch dreht, nach einem Spielzeug oder gar dem Finger greift und natürlich der Tag, an dem es seinen ersten Schritt macht.
Innerhalb nur eines Jahres wird aus dem völlig hilflosen Säugling, der zu keiner willentlichen Bewegung fähig ist, ein aufrecht gehendes Wesen mit zielgerichteten, motorischen Fähigkeiten. Er hat in dieser Zeit gelernt, sich gegen die Schwerkraft zu behaupten und gezielt nach Dingen zu greifen und diese auch zu benutzen. Weniger bekannt ist, dass man auch die Gestik, Mimik, das Blickverhalten und die Sprache, sowie das Zeichnen und Malen unter die Motorik zählt. Alles was in irgendeiner Weise auf die Umwelt einwirkt fällt in diesen Bereich.
Interessant ist, dass die Motorik nicht nur in der kindlichen Entwicklung von Bedeutung ist, sondern selbst im Erwachsenenalter weiter geschult werden kann und muss, um uns zu den hochdifferenzierten motorischen Anforderungen im Leben zu befähigen.
Stadien der motorischen Entwicklung
Im Mutterleib
Etwa in der 8. Schwangerschaftswoche beginnt sich das Baby zu bewegen.
Schon 8 bis 12 Wochen bevor die werdende Mutter es wahrnehmen kann, beginnt sich das Baby in ihrem Bauch zu bewegen. Zu diesem Zeitpunkt befindet man sich in der Regel erst in der 8. Schwangerschaftswoche. Von Anfang an bis zum Ende der Schwangerschaft ist das Baby nahezu schwerelos im Fruchtwasser aufgehoben, von daher wundert es auch nicht, dass die Bewegungen des Babys, welche man über den Ultraschall sehen kann, ein wenig an einen Astronauten im Weltall erinnern. So fast schwerelos ist das ungeborene Kind in der Lage sich lange Zeit frei in allen 3 Dimensionen des Raumes zu bewegen.
Lesetipp: Mehr zur motorischen Entwicklung im Mutterleib lies in unserem Beitrag:
Die motorische Entwicklung im Mutterleib.
Die Geburt
Das Baby lernt die Schwerkraft kennen.
Mit der Geburt endet diese Freiheit dann aber aprubt und der Säugling wird durch die Schwerkraft in einen sehr hilflosen Zustand versetzt, aus dem er sich monatelang nicht befreien kann. So sehr er auch mit den Beinchen strampelt und den Ärmchen rudert, er ist nicht in der Lage seinen Kopf zu heben oder seine Position irgendwie zu verändern, geschweige denn, sich in irgendeiner Form fortzubewegen. Er ist völlig auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen, selbst wenn es nur darum geht seine Liegeposition ein wenig zu verändern.
Erst nach einigen Monaten gelingt es dem Säugling schließlich seinen Kopf zu heben. Zuerst geht dies nur im Liegen, später dann auch im Sitzen. Erst im laufenden 2. Lebensjahr, ist das Baby in der Lage diese Haltungskontrolle auf den ganzen Körper auszudehnen und zu erweitern. Ab dem 9. Monat in etwa, vermag es frei zu sitzen, schon einige Wochen später beginnt es sich auch selbstständig aufzurichten. Erst gegen Ende des 2. Lebensjahres erreichen die Kinder die charakteristische Haltung des Menschen: Sie stehen aufrecht auf beiden Beinen und haben die Hände frei.
Das Baby erobert die Umwelt
Ab dem 4. bis 5. Lebensmonat greift das Baby willentlich.
Die ersten willentlichen Bewegungen kann das Kind im Alter von 4 bis 5 Monaten mit den Händen ausführen, ebenso wird es in dieser Zeit die ersten Versuche unternehmen sich fortzubewegen. Die allermeisten Kinder durchlaufen verschiedene Stadien der Fortbewegung, doch es ist auch nicht unüblich, dass einige davon ausgelassen und übersprungen werden. Zumeinst kommt das Robben vor dem Krabbel und erst dann beginnt das Kind sich aufzurichten und zu laufen. Die Art des Krabbelns und Robbens ist hierbei von Kind zu Kind stark unterschiedlich. Einige bevorzugen es auf dem Hintern zu rutschen, während andere auf allen Vieren durch die Wohnung toben. Doch die motorische Entwicklung endet wie eingangs schon erwähnt nicht. In den folgenden Jahren kommen das Dreirad und Zweirad fahren hinzu, auch Seilspringen, Schwimmen, Skateboarden erfordert differenzierte motorische Fähigkeiten, die sich im Laufe des Lebens angeeignet werden. Der Großteil der motorischen Differenzierung ist bis zum Laufe der Pupertät abgeschlossen, auch wenn dies nicht mehr so einfach zu beobachten ist.
Kann die motorische Entwicklung beschleunigt werden?
Üben oder nicht üben, das ist hier die Frage
Überwiegend ist die motorische Entwicklung ein Reifungsprozess, der nach inneren, nicht weiter zu beeinflussenden Regeln abläuft. Dies kann man daran erkennen, dass ein Kind es auch lernt vom Rücken auf den Bauch und zurück zu drehen, wenn die Eltern ihm dies nie vorgemacht haben, auch das Robben oder Krabbeln benötigt keine Anleitung oder Erklärung.
Selbst Kindern, die aufgrund gesundheitlicher Umstände, die Bewegung bis zum 15. Monat nahezu verwehrt wurde, lernen binnen kürzester Zeit zu robben, krabbeln und sogar zu laufen. Für die Eltern heißt dies, dass sie keinerlei Einfluss darauf nehmen können, ob ein Kind nun schon mit 10 Monaten oder erst mit 1,5 Jahren das Laufen erlernt. Auch das fleißigste Üben bringt keine Erfolge, wenn der Reifungsprozess nicht abgeschlossen ist.
Solange das Kind in der Lage ist, sich seinem motorischen Entwicklungsstand entsprechend zu bewegen, eignet es sich das Sitzen, Robben und Krabbeln selbst an.
Dies heißt aber nicht, dass die Eltern unwichtig sind.
Hat das Kind erst einmal einen Entwicklungsprozess abgeschlossen liegt es an den Eltern ihm die Möglichkeiten zu bieten, diese neuen Fähigkeiten unterschiedlich einzusetzen.
Es ist nun einmal ein großer Unterschied, ob das Kind im Garten auf dem unebenen Untergrund spielen darf oder lediglich in den heimischen 4 Wänden seine Fähigkeiten ausprobieren kann. Ein Kind, das Zugriff auf eine Treppe hat, wird diese erst krabbelnd, dann aufrecht hinter sich bringen, Kinder denen die Treppen immer verboten wurden, haben dann vielleicht sogar noch mit 3 Jahren ihre Mühe einige Stufen zu erklimmen. Das Kind unterschiedliche Dinge untersuchen lassen ist also unbedingt notwendig, vieles allerdings nur unter Aufsicht. Ein Sturz von der Treppe kann schnell zu ernsten Verletzungen führen, die tunlichst vermieden werden sollten. Unter Aufsicht kann so eine Zeit an einer Treppe dem Kind aber viel Spaß machen und in der Regel wird es gern und viel herumprobieren und seine kindliche Neugier stillen.
Der Ausbau der motorischen Fähigkeiten – nun kommt Übung ins Spiel.
Genauso unterschiedlich wie der Zeitpunkt an dem ein Kind etwas Neues erlernt hat, ist auch der Umgang mit der neuen Fähigkeit. Einige Kinder rennen den ganzen Tag hin und her und leben so ihren Bewegungsdrang und ihre Neugierde aus, andere können lange sitzen und ihre motorischen Fähigkeiten an und mit Spielzeugen trainieren. Dies ist von Kind zu Kind unterschiedlich und lässt sich auch nicht großartig beeinflussen. Diese Verschiedenheit im motorischen Verhalten sieht man auch noch bei den Erwachsenen unter denen es eher träge Personen gibt, denen Anstrengung zuwider ist und jenen, die gar nicht genug Bewegung in ihrem Leben haben können. Nur weil sich ein Kind langsamer im motorischen Bereich entwickelt, heißt dies nicht, dass das Kind grundsätzlich langsamer in allen Bereichen der frühkindlichen Entwicklung ist. Es besteht zwischen den einzelnen Entwicklungsbereichen keine nennenswerte Verbindung. Kinder, die sich also motorisch langsamer entwickeln, sind in der Regel im Grundschulalter nicht weniger intelligent, wie jene die schon sehr früh die motorischen Meilensteine erreicht haben.
Zusammenfassung
- Die motorische Entwicklung beginnt in der 8. Schwangerschaftswoche und setzt sich bis in die Pupertät fort.
- Als erstes lernt das Kind sich gegen die Schwerkraft zu behaupten und seinen Körper aufzurichten, ab dem 6. Monat beginnt es sich in der Regel fortzubewegen.
- Die motorische Entwicklung ist ein Reifungsprozess der unterschiedlich schnell abläuft.
- Durch Üben ist es nicht möglich das Auftreten motorischer Fähigkeiten, wie dem des Laufens, zu beschleunigen.
- Ist eine motorische Fähigkeit herangereift benötigt das Kind vielfältige Betätigungsmöglichkeiten, denn die Differenzierung ist stark von den Bewegungserfahrungen abhängig.
- Es besteht keinerlei Zusammenhang zwischen motorischer Entwicklung und den Entwicklungsschritten in anderen Bereichen wie Spiel- oder Sozialverhalten. So kann ein Kind mit langsamerer motorischer Entwicklung eine ausgeprägte Sprachentwicklung haben oder umgekehrt. Es besteht kein Grund zur Sorge.
[KaKra]