Autoreninfo | Sylvia Koppermann | |
aktualisiert: 20.10.2019 | Mehrfache Mutter u. Autorin | |
Medizin, Gesundheit und Erziehung |
Dabei ist sie keineswegs stiller oder unauffälliger, aber ich hatte immer so eine winzige Hoffnung, mein Baby würde zum Paradebeispiel eines Musterkindes heranwachsen. Gut, mit dem Begriff "Paradebeispiel" bin ich ja schon einmal nicht allzu weit entfernt, sie treffend zu bezeichnen.
Pah, das ist ein Wort, das jeder ganz schnell streichen sollte, der es wagt, sich unserer Ruby auch nur einen Meter zu nähern!
Das Blitzen in ihren Augen ist keineswegs das reflektierende Sonnenlicht, sondern der Schalk, der ihr praktisch rund um die Uhr im Nacken sitzt. Ruby ist eigentlich auch die Einzige, die es locker schafft, ihre 15 Monate ältere Schwester Elly, die an sich ein Ausbund an Selbstbeherrschung und vor allem Selbstbewusstsein ist, dazu zu bringen, die Contenance zu verlieren. Da geht es weniger um die Tatsache, dass Ruby grundsätzlich alles austestet, indem sie es mindestens einem ihrer Geschwister über den Schädel zieht. Obwohl man durchaus sagen könnte, sie unterzieht ihr Spielzeug so einem eigenen Warentest.Habe ich etwa eine erfreut quietschende Micky Maus vor mir, kann man sicher davon ausgehen, dass meine jüngste Tochter gerade wieder Mama am arbeiten hindert. Denn ohne Schallschutzkopfhörer auch nur einen Satz zu schreiben, wäre in einer Familie wie der Chaosbande ein utopischer Plan.
Bekommt mein Mann plötzlich Nachrichten seiner Kameraden im Browsergame, die ihn bitten, zukünftig etwas nüchterner Rundmails zu verschicken, wissen wir hundertprozentig, Ruby hat Papas dreiminütige Kaffeepause sinnvoll genutzt, um schon einmal tippen zu üben.Höre ich aus der Küche einen meiner Söhne resigniert rufen “Och Mensch, Ruby, NEIN", steht fest, sie hat sich aus dem Joghurt ihres Bruders eine Bodylotion gemacht. Ertönt ein ähnlich schriller Schrei “Ihh, Ruby, nicht die Finger! Bäh, nimm jetzt die Hand aus der Windel”, setze ich mich automatisch in Bewegung, um Badewasser für den kleinen Quirl einzulassen.
In meiner Panik, dass sie nun vielleicht einer der Katzen alle neun Leben auf einmal genommen hatte, war ich fast soweit, dem Kehrbesen eine Mund-zu-Mund-Beatmung zu verpassen. Bis mir dann endlich der Stil auffiel, schlenderte Ruby mit einer echten Katze unterm Arm fröhlich winkend an mir vorbei.
Ich weiß, lange werde ich mit dieser Schuldzuweisung nicht mehr Erfolg haben. Denn spätestens, wenn mein Mann auch nur eine Minute Luft bekommt, um darüber nachzudenken, wie sein Kind soviel Chili im Hintern haben kann, wird automatisch seine Frage kommen: “Schatz, sag mal, wie warst Du denn so als Kind?"
Aber bis dahin kann noch eine Menge Zeit ins Land ziehen, denn Rubys Erfindergeist scheint noch so Einiges auf Lager zu haben, das ihm nicht einmal Zeit zum Grübeln lässt. Fest steht jedenfalls, dass wir auch oder gerade mit ihr wieder ein perfektes Mitglied der Chaosbande in die Welt gesetzt haben.Und ich bin mir sicher, bis sie flügge wird, habe ich noch einige Male einen Grund, mich an den Rechner zu setzen um ein Erlebnis aufzuschreiben.
[SyKo]